Der Drehtüreffekt in der Politik [Ausschnitt aus einer Hausarbeit im Fach Public Affairs]

Erstellt von anne_hi vor 6 Jahren
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2. Der DrehtüreffektDer Drehtüreffekt bezeichnet allgemein den fliegenden Wechsel von einem Bereich in einen anderen mit der Option, in den ursprünglichen Bereich zurückkehren zu können. Im Lobbyismus versteht man unter dem Drehtüreffekt die zeitnahe Rotation zwischen Jobs in der Politik und der Wirtschaft. Das bedeutet, dass Menschen, die in einem dieser beiden Bereiche arbeiten, von der einen Seite auf die andere wechseln.1Grundsätzlich sind Wechsel in beide Richtungen möglich. Der Wechsel von der Politik in die Wirtschaft ist jedoch der häufigere Weg. Dabei wechselt meist ein Politiker oder anderer hochrangiger Mitarbeiter aus einem Ministerium als Lobbyist zu einem Unternehmen oder Interessenverband. [...] Problematisch ist der Drehtüreffekt vor allem, wenn der Wechsel sehr schnell erfolgt, also ohne Pause oder nur mit geringer Pause zwischen den beiden Jobs. Im Stakeholder-Dreieck aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hat jede Seite klare Interessen und ein Recht darauf, diese zu vertreten. „Dabei gilt allerdings, dass alle demokratischen Regeln zu beachten sind. Interessenvertretung muss transparent gestaltet werden, so dass jeder zu jedem Zeitpunkt weiß, mit wessen Interessen er es zu tun hat“2, fordern die beiden Vereine Deutsche Gesellschaft für Politikberatung und Transparancy International Deutschland. Die Interessen der drei Seiten sollten nicht vermischt werden – genau das kann jedoch beim schnellen Seitenwechsel passieren: die „ehemalige[n] Politikerinnen und Politiker [...] schaffen für eine sehr begrenzte Interessengruppe einen besonderen, privilegierten Zugang zu politischen Entscheidungsprozessen und -arenen.“3[...]4. Forderungen und Vorschläge für Übergang zwischen Politik und WirtschaftDamit sich bei einem Wechsel zwischen Politik und Wirtschafft keine Interessen vermischen, wird allgemein mehr Transparenz gefordert. Das bedeutet beispielsweise, dass Jobverhandlungen für Lobbyisten-Positionen während der Amtszeit für Politiker verboten sind.4 Zudem fordert LobbyControl eine Anzeigenpflicht über Jobs, Einnahmen, Aufgaben und ähnliches gegenüber der Öffentlichkeit für einen festgesetzten Zeitraum, nachdem der Politiker in die Wirtschaft gewechselt ist.54.1 KarenzzeitEine der wesentlichsten Forderungen, die bei problematischen Drehtür-Fällen immer wieder aufkommt, ist eine Karenzzeit. Darunter versteht man eine Wartezeit beziehungsweise Sperrfrist, in der es dem ehemaligen Politiker verboten ist, als Lobbyist bei einem Wirtschaftsunternehmen zu arbeiten. Dadurch soll eine Art „Abkühlphase“6  geschaffen werden, in der die Kontakte des ehemaligen Politikers abkühlen und er somit weniger Vorteile gegenüber anderen Interessenvertretern hat.Die Karenzzeit sollte dabei generell für alle Politiker gelten, auch wenn sie in ein anderes Fachgebiet wechseln und nicht in dem Fachgebiet bleiben, in dem sie auch als Politiker gearbeitet haben.7 Für Eckart von Klaeden hätte das bedeutet, dass er direkt nach Ende seiner Karriere als Bundestagsabgeordneter und Staatsminister nicht zur Daimler AG hätte wechseln dürfen – auch wenn es oberflächlich betrachtet große thematische Unterschiede gibt zwischen den Aufgaben eines Interessenvertreters in der Automobilindustrie und den Aufgaben eines Staatsministers im Bereich Bund-Länder-Koordination und Bürokratieabbau. Jedoch lassen sich gerade von Seiten der Politik thematische Überschneidungen nicht vollständig vermeiden. Wie auch die Aufarbeitung des Falls von Klaeden zeigt, kommen Politiker im Alltag mit vielen Themen in Berührung, die außerhalb ihres Fachgebiets liegen. Zudem sind für ein großes, internationales Unternehmen wie Daimler sehr viele politische Themen interessant, unter anderem „Klimapolitik, Arbeitsmarktfragen oder Handelsverträge“8.Daher fordern Verbände, dass eine gesetzlich geregelte Karenzzeit eingeführt wird, die verbindlich ist. Ehrenkodexe wie ein Corporate Governance Kodex oder Verhaltensrichtlinien, die nicht bindend sind, reichen nicht aus.9Für Beamte gibt es bereits eine gesetzlich festgelegte Karenzzeit von fünf Jahren, nachdem diese den öffentlichen Dienst verlassen. Das trifft auch auf verbeamtete Staatsekretäre zu: „Sie müssen bis fünf Jahre nach Ende ihrer beamteten Tätigkeit ihrer obersten Dienststelle mitteilen, wenn sie eine neue Tätigkeit aufnehmen (Beamte im Altersruhestand nur drei Jahre). Die Dienststelle hat die Möglichkeit, die neue Tätigkeit zu untersagen, wenn dadurch ‚dienstliche Interessen‘ gefährdet sind“10. Vergleichbare Gesetze für alle Politiker existieren bisher nicht. Für sie gilt nur eine Verschwiegenheitspflicht.11 Die Vorschläge für die Dauer der Karenzzeit reichen von einem Jahr bis hin zu fünf Jahren. LobbyControl fordert zum Beispiel drei Jahre.12[...]4.1.3 Aktueller StandMit den Fällen Eckart von Klaeden und Ronald Pofalla ist die Diskussion um die Einführung von Karenzzeiten für Politiker wieder aufgekommen, jedoch ohne konkreten Fortschritt. Bisher konnten sich die Beteiligten nicht auf die Rahmenbedingungen einigen. Umstritten ist beispielsweise, wie lange die Karenzzeit dauern soll und für wen die Regelungen gelten sollen – ausschließlich für Minister oder auch für Bundestagsabgeordnete sowie Abteilungsleiter von Ministerien.Die Diskussion folgt dem bekannten Schema, dass die Opposition für Karenzzeiten stimmt und die Regierung dagegen.13 Besonders auffällig ist das am Beispiel der SPD. Bei von Klaeden – also Anfang 2013 vor der Bundestagswahl, als die SPD noch zur Opposition gehörte – unterstützte die Partei die Forderung nach Karenzzeiten. In ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 forderte sie eine gesetzlich geregelte Karenzzeit.14 Im anschließend aufgesetzten Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD ist jedoch nur folgende ungenaue Formulierung zu finden: „Um den Anschein von Interessenkonflikten zu vermeiden, streben wir für ausscheidende Kabinettsmitglieder, Parlamentarische Staatssekretärinnen und Staatssekretäre und politische Beamtinnen und Beamte eine angemessene Regelung an.“15 Eine gesetzliche Regelung ist auf Seiten der Bundesregierung nicht mehr im  Gespräch.1 Vgl. LobbyControl, Fliegende Wechsel – die Drehtür kreist, 09.12.2013.2 Deutsche Gesellschaft für Politikberatung, Interessenvertretung in Deutschland transparenter gestalten und fair regeln, 09.12.2013.3 LobbyControl, Fliegende Wechsel – die Drehtür kreist, 09.12.2013.4 Vgl. LobbyControl, Staatsminister von Klaedens Seitenwechsel zu Daimler inakzeptabel, 11.01.2014.5 Vgl. LobbyControl, Fliegende Wechsel – die Drehtür kreist, 09.12.2013.6 Leif Thomas: Souveränitätsverzicht der Politik und Bedeutungsverlust der Parlamente – Lobbyismus als Schatten-Management widerspricht dem Prinzip des Pluralismus. In: GLAAB M., KORTE Karl-Rudolf (Hrsg.): Angewandte Politikforschung. Wiesbaden 2012, S. 193.7 Vgl. LobbyControl, Fliegende Wechsel – die Drehtür kreist, 09.12.2013.8 LobbyControl, Staatsminister von Klaedens Seitenwechsel zu Daimler inakzeptabel, 11.01.2014.9 Vgl. LobbyControl, Fliegende Wechsel – die Drehtür kreist, 09.12.2013.10 LobbyControl, Fliegende Wechsel – die Drehtür kreist, 09.12.2013.11 Vgl. LobbyControl, Fliegende Wechsel – die Drehtür kreist, 09.12.2013.12 Vgl. LobbyControl, Staatsminister von Klaedens Seitenwechsel zu Daimler inakzeptabel, 11.01.2014.13 Vgl. Zeit Online, Koalition wehrt sich gegen Karenzzeit-Gesetz, 21.01.2014.14 Vgl. LobbyControl, Ermittlungen gegen von Klaeden: Höchste Zeit für Karenzzeiten, 11.01.2014.15 CDU, Koalitionsvertrag, 30.04.2014.

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