Familie Anderswo - Abu Dhabi: Luxus, Hitze und Multi-Kulti

Erstellt von Scribo vor 5 Jahren
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Als mein Mann vor gut 5 Jahren nach Abu Dhabi aufbrach um dort zu arbeiten, war ich sehr skeptisch. Sollten unsere Kinder (jetzt 11 und 7 Jahre) und ich ihm wirklich dorthin folgen? Ich konnte mir ein Leben in einem islamischen Land als Frau und als Familie nur schwer vorstellen. Nach einigen Besuchen, bei denen sich mir die Stadt als durchaus lebenswert präsentierte, entschloss ich mich dann doch dazu.  

Abu Dhabi ist mit seinen 1,5 Mio Einwohnern eine moderne Großstadt. Gleißende Hochhäuser, breiten Straßen, und modernen Shopping Malls erinnern eher an eine amerikanische City als an eine orientalische Metropole. Dennoch gibt es hier natürlich vieles, auf das man sich einstellen muss. 90 % der Einwohner sind Ausländer, davon die Hälfte aus Südostasien, ein Drittel aus arabischen Ländern, der Rest aus westlichen Staaten. Lediglich 10 % der Bevölkerung sind Emirati. Aufgrund der unzähligen Arbeiter aus Südostasien gibt es hier doppelt so viele Männer wie Frauen.  

Amtssprachen sind Arabisch und Englisch. Mit Ausnahme der alten einheimischen Generation spricht jeder Englisch, alles ist in Englisch angeschrieben, und auch wenn man es nur leidlich spricht, kann man sich im Alltag leicht verständigen.  

Für mich war eine große Herausforderung das Akzeptieren der hier herrschenden Drei- Klassen-Gesellschaft. An erster Stelle stehen Emirati und Bürger anderer Golfstaaten. Sie erhalten z.B. für gleichwertige Jobs doppelt so hohe Gehälter, werden im Alltag beim Anstellen in jeder Schlange vorgenommen, ihre Kinder haben, was Leistung und Benehmen in der Schule betrifft, quasi Narrenfreiheit. 

Die zweite Klasse besteht aus Bürgern anderer arabischer Staaten sowie westlichen Ausländern. Die große Mehrheit stellt die dritte Klasse: Arbeiter, Maids (= Haus- und Kindermädchen) und viele andere Dienstleistungskräfte aus Südostasien, die für wenig Lohn harte Arbeit leisten. 

Immerhin: Engeren Umgang und Freundschaften pflegen die Klassen zwar nur untereinander, im Alltag sieht man sie dennoch friedlich gemischt in Malls, Parks und auch in den Schulen. 

Sind die Frauen Mütter, arbeiten sie meist nicht (auch nicht die Expats). Die Gesellschaft sieht das auch nicht wirklich vor, obwohl Heerscharen von Bediensteten den reichen Emirati Familien das Leben erleichtern. Auch in den westlichen Haushalten mit 3 Kindern oder mehr gibt es immer eine Maid. Einige Mütter arbeiten flexibel und auf selbständiger Basis nebenbei, die meisten sind jedoch damit beschäftigt, die Kinder von- und zur Schule, zu Playdates oder sonstigen Aktivitäten zu chauffieren, Einkäufe zu erledigen oder sich ehrenamtlich in den Schulen zu engagieren. Die Stadt ist sehr weitläufig, jede Kleinigkeit muss motorisiert erledigt werden und die Kinder wachsen hier sehr behütet auf. Ein Kind hier alleine mit dem öffentlichen Bus oder zum Spielen in den Park zu schicken ist völlig undenkbar. 

Abu Dhabi ist für Autofahrer übrigens ein Paradies. Ein neues Auto kostet gut 30 % weniger als Zuhause, Benzin ist um mehr als die Hälfte billiger. Die ganze Stadt ist eher für Autofahrer, denn für Fußgänger geplant, die Straßen breit und wenig verstopft, Parkplätze sind kein Problem. 

Die Orientierung in dieser Stadt war für mich allerdings die nächste große Herausforderung. Zwar sind die Hauptstraßen schachbrettartig angeordnet, jedoch wird hier ständig verändert, gebaut und erweitert – selbst Google Maps ist da oft überfordert. Zusätzlich haben die Emirati ein Faible dafür, Parks, öffentliche Gebäude, und vor allem Straßen, im Jahrestakt flächendeckend umzubenennen. Und damit nicht genug, gibt es hier auch keine Hausnummern. Orientierungshilfe bieten Geschäfte oder öffentliche Gebäude, und so werden Adressen dann auch angegeben. Was habe ich anfangs geschwitzt, wenn ich in unbekannte Gefilde aufbrach... Dafür nimmt einem aber auch niemand übel, wenn man kräftig zu spät kommt. 

Challenge Nummer Drei war natürlich das Klima. November bis April sind großartig. Zwischen 20 und 30 Grad und immer blauen Himmel wünscht sich so mancher Österreicher. Die andere Hälfte des Jahres heißt es aber sich in die klimatisierten Räume zurückzuziehen. Knapp 50 Grad im Schatten kann es im Sommer bekommen. Ins Freie kann man da erst ab der Dämmerung.  

Daran orientiert sich natürlich auch unsere Freizeitgestaltung. Die Stadtregierung bemüht sich, der Bevölkerung wunderschön gepflegte Gärten und Parks zur Verfügung zu stellen – bei diesem Klima eine extreme Herausforderung. Allerdings gibt es nur eine Handvoll Parks, die groß und schattig genug sind um darin einige Stunden zu verbringen. Die Kinder werden mit zahlreichen Indoor- Sport-/Musik-/Kreativkursen bei Laune gehalten, und die Familien verbringen viel Zeit am Pool, in Wasserparks oder am Strand. Jede Wohnanlage und viele Einfamilienhäuser haben einen Pool, die Strände (auch die in der Stadt) sind strahlend weiß, das Meer türkisblau und sauber. 

Gottlob sind die Gesetze und die (für die westliche Bevölkerung) Einschränkungen aufgrund der Kultur wesentlich weniger streng als in anderen islamischen Staaten. Obwohl die einheimischen Frauen Körper und Haar stets komplett verhüllen, kann man hier als Frau alles tragen und sich auch in Badekleidung am Strand bewegen. 

Unsere Kinder besuchen die Deutsche Internationale Schule Abu Dhabi. Unterrichtssprache ist hier Deutsch, Arabisch neben Englisch als 2. Fremdsprache ein Pflicht- und Schularbeitsfach. Über 18 Nationalitäten finden sich in den Klassen unserer beiden Kinder. Alle dort kennen das Gefühl, neu und fremd zu sein. Die Eingewöhnung war für unsere Kinder so kein Problem, Freunde waren schnell gefunden. Generell knüpft man in Abu Dhabi leicht Kontakte. Es gibt viele Vereine, Clubs, Veranstaltungen und auch an Bars und Restaurants mangelt es nicht.  

Bei all der westlichen Orientierung dieser Stadt, darf man jedoch nicht vergessen: In den Vereinigten Arabischen Emiraten sind alle Medien staatlich kontrolliert. Die 3. Klasse wird ausgebeutet und hat kaum Rechte. Die Gesetzgebung ist islamisch: Es gilt die Scharia, und zwar ausnahmslos für alle. Arbeitslosigkeit wird hier nicht geduldet: Verliert man als Ausländer seinen Job, muss man sehr schnell einen neuen finden. Ansonsten hat man das Land innerhalb von 30 Tagen zu verlassen.  

Hat man aber ein genügend Geld, lässt es sich hier sehr bequem leben. Abu Dhabi gehört zu den reichsten Städten der Welt und bietet Luxus ohne Ende. Die Expatriates aus dem Westen schätzen vor allem das völlig steuerfreie Einkommen. Während die staatliche Sozialversicherung nur für Emirati und Bürger anderer Golfstaaten vorgesehen ist, kommen für die private Sozialversicherung der Expatriates und ihrer Familien die Arbeitgeber auf. Allerdings sind Mieten und Preise der Privatschulen horrend hoch, und würden diese nicht auch von vielen Arbeitgebern bezahlt werden, wäre es wohl nur mehr ein Bruchteil von westlichen Expatriates, die sich hier ansiedeln. 

Unserer Familie wurde es leicht gemacht, sich hier wohlzufühlen. Wir genießen den Cross-Over aus traditioneller einheimischer Kultur und westlichem Lebensstil, die neuen Erfahrungen und Eindrücke die wir hier sammeln, die Zeit mit unseren internationalen Freunden und Bekannten und das Leben am Meer. Letztendlich war es eine gute Entscheidung, den Schritt zu wagen und für einige Jahre in Abu Dhabi zu leben!

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