„Kampf um Anerkennung – Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte“ von Axel Honneth

Axel Honneth schildert in Kapitel 6 seines Werkes „Kampf um Anerkennung“, wie ein Individuum in eben dessen Kampf verletzt werden und durch resultierende affektive Erfahrungen gesellschaftlichen Schaden nehmen kann. Er zeigt verschiedene Formen und Grade der Mißachtung, also dem Entzug oder der Verweigerung von Anerkennung auf, welche sich auf vielerlei Weisen der Schädigung des positiven Selbstbildes manifestieren können: Von einer psychischen Verletzung etwa, die sich nur auf die Vorenthaltung zentraler Grundbedürfnisse und –rechte beschränkt, über eine Demütigung, wie beispielsweise ein öffentliches Zur-Schau-Stellen einer Person, bis hin zu physischer Gewaltanwendung.

Erstellt von armed-with-a-mind vor 11 Jahren
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Die grundlegendste Form der Erniedrigung eines Subjekts stellt die Ausübung körperlicher Gewalt wie Folter und Vergewaltigung dar, welche eine schwerwiegende Verletzung des Vertrauens in die eigene physische Autonomie und Kontrolle und somit des Selbst- und Weltvertrauens nach sich zieht. Ebenso wie die Differenzen und Veränderungen gesellschaftlicher Legitimationssysteme ist auch die Wahrnehmung einer moralischen Verletzung von Anerkennung einem stetigen Wandel unterlegen. Darunter fällt unter anderem die Entziehung von Rechten innerhalb einer Gesellschaft. Aus der Sicht des Subjekts impliziert dies eine abgesprochene Gleichstellung moralischer Zurechnungsfähigkeit und somit die Erniedrigung als Interaktionspartner. Eine dritte Form der Mißachtung stellt die sogenannte „Beleidigung“ oder „Entwürdigung“ dar: Hierbei wird die Person in ihrer „Ehre“ oder „Würde“ verletzt - das Infragestellen des sozialen Werts der persönlichen Fähigkeiten zieht die Sicht auf den eigenen gesellschaftlichen „Status“ in Mitleidenschaft. Auch die individuelle Bewertung sozialer Wertschätzung ist institutionell verankert und unterliegt somit einem historischen Wandlungsprozess. Ebenfalls gemeinsam haben die drei Mißachtungsformen eine Beschreibung durch Metaphern, wie z.B. die des „psychischen oder sozialen Todes“ oder der „Kränkung“. Die Identitätsgefährdung ist bei sozialer Erniedrigung ebenso real wie im physischen Leben durch körperliche Krankheit. Diese Parallelen verleiten dazu, auch für soziale Arten der Mißachtung gleichermaßen Symptome wie Formen negativer Gefühlsempfindungen zu benennen, welche auf die „Krankheit“ aufmerksam machen. Andererseits lassen sich dadurch auch Rückschlüsse ziehen, was die Integrität eines Subjekts konstituiert und wie um deren Preis nach sozialer Demütigung ein praktischer Kampf eingegangen wird. Laut Honneth sind negative emotionale Reaktionen wie Wut, Scham, Kränkung oder Verachtung klare Indikatoren für einen Entzug von Anerkennung. Diese Gefühle sind Rückstöße nicht erreichter Erwartungshaltungen, welche auf instrumenteller und normativer Ebene gesetzt werden können und bei Misserfolg die Ich-Ideale des Subjekts verletzen. Diese Verletzung, welche in eben beschriebenen emotionalen Reaktionen resultiert, beinhaltet wiederum die Chance der kognitiven Erkenntnis sozialen Unrechts und kann somit politischen Widerstand entfachen. Das Potential der Transformation in politische Energie wird allerdings in nicht geringem Ausmaße von der politisch-kulturellen Umwelt des betroffenen Subjekts beeinflusst. Dieser Gedanke bildet den Anknüpfungspunkt des nächsten Seminartextes zur Entstehung sozialer Bewegungen von Kai-Uwe Hellmann.

 

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Bearbeiteter Text:

"Persönliche Identität und Mißachtung: Vergewaltigung, Entrechtung, Entwürdigung", in: A. Honneth, „Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte“, Frankfurt/M. 1994, S. 212-225

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