“Pressearbeit war gestern, heute machen wir Social Media”

Ist durch Social Media die klassische Pressearbeit obsolet geworden? Genügt es, in unserer kurzlebigen Zeit statt ellenlanger Pressemeldungen einfach kurze Meldungs-Schnipsel zu schreiben und zu verbreiten, die die wichtigsten Informationen komprimiert in fünf Sätzen enthalten und mit einem Link auf das Portfolio auf der Homepage verweisen?

Im letzten Jahr habe ich festgestellt, dass die Zahl der neuen Anfragen nach Pressearbeit deutlich zurückging.

Erstellt vor 8 Jahren
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Da gleichzeitig einige meiner Stammkunden aus unterschiedlichen Gründen (Krankheit, Budgetknappheit, Einstellung eines eigenen Texters etc.) keine Pressearbeit mehr beauftragt haben, war das ein Rückgang, den ich schmerzhaft in meiner Bilanz gespürt habe. Meine Analyse ergab, dass es nicht am mangelnden Erfolg der Pressearbeit oder an möglicher Unzufriedenheit der Stammkunden lag. Woran dann?

Haben Social Media die klassische Pressearbeit obsolet gemacht?

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Eine Vermutung ist, dass viele der potentiellen Kandidaten gedacht haben, dass traditionelle Pressearbeit sich erledigt hat: Dass in Zeiten von Social Media die klassische Pressearbeit obsolet ist, weil es genügt, auf Facebook, Google+ und XING kurze News-Schnipsel zu veröffentlichen und sie mit Links zur Homepage zu versehen. Dass ein Blogbeitrag auf der Homepage besser ist als eine Pressemeldung, die ja immer auch viel Streuverlust mit sich bringt.

Das ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Denn 1. ist ein News-Schnipsel keine wirkliche Information, denn es fehlen die Details und die Tiefe (der eigentliche “Content” also); 2. wird eine kleine News nicht so wahr- und ernstgenommen wie ein ausführlicher Beitrag; 3. ist ein Blogbeitrag per definitionem subjektiv, denn er stellt eine Sache aus Sicht des Autors oder des Unternehmens dar, und 4. sollten wir die Journalisten und die Wirkung klassischer Print- und Online-Medien nicht unterschätzen und dürfen sie daher nicht vernachlässigen.

Die ideale Länge

Schlaue Leute haben Untersuchungen zur idealen Länge diverser Textsorten gemacht und herausgefunden, dass ein Tweet zwar 140 Zeichen haben darf, der ideale Tweet aber nur 100 Zeichen hat. Ideal ist ein Tweet, der die meisten Interaktionen hervorruft, also Antworten erhält, retweetet (weitergeleitet) oder gefavt (mit Sternchen favorisiert) wird und auf diese Weise die Anzahl der Follower und die generelle Reichweite erhöht.

Gartenmauer, gebaut aus vielen kleinen Steinen

Wie lang welche Textsorten idealerweise sind, können Sie nachlesen im Beitrag “Was ist die ideale Länge”: http://www.online-consulting.net/seo/was-ist-die-ideale-laenge/ Lesen Sie zum “idealen” Tweet aber auch die Gegenstimme von Ralph Scholze “Ein perfekter Tweet auf #Twitter und warum ich davon nix halte“.

Der ideale Tweet hat 100 Zeichen

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Die ideale Länge eines Blogbeitrags liegt bei etwa 1600 Wörtern. Das ist eine Menge. Meine Pressemeldungen zum Beispiel haben meistens um die 600 Wörter. Eine Überschrift hat 6 bis 9 Wörter, selten bis zu 20 Wörtern. Ein idealer Satz – ideal aus Sicht des Lesers, also optimal für den Lesefluss und das Verständnis – hat ca. 14 Wörter, 7 Wörter im Hauptsatz und 7 Wörter im Nebensatz. Das sind alles Richtwerte, nicht in Stein gemeißelt, aber daraus ergibt sich: Ein idealer Blogbeitrag besteht aus ca. 120 bis 200 Sätzen!

Die ideale Pressemeldung hat 600 Wörter, der ideale Blogbeitrag 1600

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Dagegen hat ein News-Schnipsel vielleicht drei bis fünf Sätze. Schön zum Streuen und Verbreiten, wenn danach ein Link auf einen ausführlichen Beitrag mit Tiefe folgt. Wenn die kurze News aber für sich alleine steht und auf nichts verweist als auf eine Homepage, wird sie kaum jemanden zum Weiterlesen animieren. Der Leser merkt, ob der Autor sich Mühe gegeben hat und ob es ihm am Herzen liegt, dem Leser einen Mehrwert zu bieten.

Mit einem ausführlichen, langen Blogbeitrag können Sie den Leser bei Laune halten. Oder mit einer ausgearbeiteten Pressemeldung, die weiterführende Informationen enthält. Will sagen: Die kleine Social Media News ist der Appetithappen. Macht Appetit auf das Menü, das folgt. Wenn Sie aber nur den Appetithappen bieten und diesem amuse-gueule nichts folgt, gehen die Gäste hungrig und unzufrieden nach Hause – und kommen nicht wieder.

Wenn dem amuse-gueule nichts folgt, gehen die Gäste hungrig nach Hause

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Die ideale Länge eines Blogbeitrags (oder einer Pressemeldung) ist keine willkürliche Zahl, sondern ein Erfahrungswert. Wenn dieser Blogbeitrag etwa 5 Minuten Lesezeit braucht, können Sie davon ausgehen, dass der Autor sich etwa 5 Stunden damit beschäftigt hat. Er hat Informationen zusammengetragen, Gedanken geordnet, ein (gedankliches oder schriftliches) Konzept erstellt, Überschriften und Zwischenüberschriften entworfen und verworfen, geschrieben und umgeschrieben, die Rechtschreibung überprüft und Links eingebaut, Bilder gesucht und beschriftet und an die richtige Stelle gesetzt, und zu guter Letzt: optimiert, optimiert und optimiert.

Entweder gibt der Autor sich Mühe oder der Leser quält sich mit dem Text

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Es ist wie immer: Entweder hat der Akteur die Arbeit – oder der Rezipient. Wenn der Koch seine Künste angewandt hat, schmeckt das Essen und bekommt. Entweder gibt der Autor sich Mühe – oder der Leser muss sich mit dem Text quälen. Je vergnüglicher und leichter der Text zu lesen ist, desto mehr Aufwand hat der Autor damit betrieben. Den Effekt spüren Sie, nicht die Arbeit, die dahinter steckt.

Eine “richtige” Pressemeldung muss eine bestimmte Länge haben. Nicht, weil ich das einmal so gelernt habe, sondern weil sie schlicht von vielen Portalen nicht akzeptiert wird, wenn sie bestimmte Bedingungen nicht erfüllt. Eine dieser Bedingungen ist die Länge: Mindestens 1200 Zeichen.

Und für alle, die denken, solche Zahlen seien willkürlich: Sicher können Sie sie hinterfragen. Meine Erfahrung aus über 20 Jahren Pressearbeit ist aber, dass die Pressemeldung in der Regel genau diese Anzahl Zeichen braucht, um in einem kurzen Einstieg die wesentlichen Fakten darzustellen und im längeren Fließtext entsprechende Hintergrund-Informationen zu liefern.

Die optimale Information

Sicher kann ich eine Information kurz zusammenfassen. Wer wie ich ein begeisterter Twitterer ist, kennt die Herausforderung, eine Neuigkeit, eine witzige Bemerkung oder sogar eine kleine Geschichte in maximal 140 Zeichen zu packen. Ähnlich wie bei einem Slogan ist das keine Kleinigkeit: Wir müssen die wesentlichen Informationen herausfiltern und komprimieren. Dafür aber erst einmal erkennen, was das wirklich Wesentliche ist und was ohne Verlust weggelassen werden kann.

Meine sehr geschätzte Kollegin Christa Goede hat kürzlich in ihrem Blogbeitrag “11 Dinge, die Sie Texterinnen und Textern besser nicht sagen sollten” geschildert, welche Arbeit hinter so einem kurzen Slogan steckt. Wie wir das Unternehmen kennenlernen und seine Stärken und Schwächen, vor allem seine Besonderheit herausfinden müssen. Wie wir alles erfahren und durchleuchten, um dann daraus einen Slogan zu komprimieren, so wie man eine Brühe stundenlang einkochen muss, um einen konzentrierten Font zu erhalten. Und warum deshalb der kurze Slogan eben nicht in einer halben Stunde erarbeitet ist.

Wir haben also eine optimale Information mal in 1600 Wörtern, mal in drei oder fünf Wörtern. Wie das?

Für jede Textsorte gelten andere Regeln, andere Ziele, andere Zielgruppen. Ich wäre eine schlechte Texterin, wenn ich das nicht berücksichtigen würde:

  • Ein Slogan vermittelt in einem winzigen Augenblick ein ganzes Image
  • Ein Tweet verkündet seine Botschaft ohne Kontext in maximal 140 Zeichen
  • Eine News auf XING, LinkedIn oder Google+ sagt in wenigen Sätzen, warum der Leser einem Link folgen soll
  • In einem Blogbeitrag kann ich mein Fachwissen darlegen und potentielle Kunden von meiner Kompetenz überzeugen – oder auch einfach eine amüsante Geschichte erzählen
  • In einer Pressemitteilung informiere ich die Medien und die Öffentlichkeit in kurzer, prägnanter Form über wichtige Neuigkeiten
  • Ein Fachartikel stellt eine Technologie oder eine interessante Fallgeschichte dar

usw.

Für jede Textsorte gelten andere Regeln

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So wie jede Textsorte ein anderes Ziel verfolgt und eine spezielle Zielgruppe anspricht, so unterschiedlich ist sie auch in Länge, Diktion, grammatischer Form und Ansprache. Das erklärt auch, warum eine News auf einem Social-Media-Kanal nicht für sich stehen kann: Sie ist ein Verweis auf etwas anderes. Wenn hinter dem Link aber nur eine mehr oder weniger statische Homepoage steht, läuft die News ins Leere und lässt ratlose Leser zurück.

Der geniale Redaktionsplan

Ich habe nicht nur so viel über Textsorten und Zielgruppen erzählt, um meine 1600 Wörter voll zu kriegen

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