Beurteilung des Vorliegens von Insolvenz-eröffnungsgründen (IDW S 11)

Am 8. April 2015 hat das IDW einen neuen Standard zur Beurteilung der Insolvenzreife eines Unternehmens veröffentlicht (FN 4/2015, 202). Dieser Standard ersetzt sowohl IDW PS 800 (Empfehlungen zur Prüfung eingetretener oder drohender Zahlungsunfähigkeit bei Unternehmen) als auch IDW FAR 1/1996 (Empfehlungen zur Überschuldungsprüfung bei Unternehmen). Wesentliche Änderung im Vergleich zum IDW ES 11 ist die Konkretisierung des Prognosehorizonts.

Erstellt von Bianca78 vor 7 Jahren
Teilen

Der IDW S 11 stellt die Anforderungen an die Beurteilung des Vorliegens der Insolvenzreife unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar.

Mit Inkrafttreten des ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) am 1. März 2012 ist die Möglichkeit des Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO geschaffen worden. Hierdurch hat die konkrete Abgrenzung von Insolvenzeröffnungsgründen nochmals an Bedeutung gewonnen.

Als Insolvenzeröffnungsgründe sieht die Insolvenzordnung drei Gründe vor:

- Zahlungsunfähigkeit (§17 InsO),

- drohende Zahlungsunfähigkeit (§18 InsO),

- Überschuldung (§19 InsO),

wobei die gesetzlichen Vertreter bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung unverzüglich, ohne schuldhaftes Zögern, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens innerhalb von drei Wochen zu beantragen haben.

Zur Einschätzung des Krisenstadiums fordert der IDW S 11 die Aufstellung einer integrierten Unternehmensplanung durch die gesetzlichen Vertreter. Dabei ist zwischen vergangenheits- und zukunftsorientierten Daten zu unterscheiden.

Bei vergangenheitsorientierten Daten, welche die Ausgangsbasis für die Darstellung der aktuellen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sind, ist für die Beurteilung der Insolvenzreife sicherzustellen, dass die erforderlichen Informationen zutreffend aus der Rechnungslegung übernommen wurden. Die Ermittlung zukunftsorientierter Daten ist sowohl sachlich als auch rechnerisch aus den vergangenheitsorientierten Daten abzuleiten und unter Berücksichtigung schlüssiger Planungsprämissen weiterzuentwickeln.

Grundvoraussetzung für die Erhebung der Daten ist, dass die verwendeten Informationen vollständig, aktuell, verlässlich und schlüssig sind.

Der Detaillierungsgrad der erforderlichen Dokumentationen durch das Unternehmen wird sowohl durch die Komplexität des Unternehmens als auch durch das bereits bestehende Ausmaß der Unternehmenskrise bestimmt.

Die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) ist von der Zahlungsstockung abzugrenzen. Bei einer Zahlungsstockung ist das Unternehmen vorrübergehend nicht in der Lage fällige Verbindlichkeiten vollständig zu begleichen. Zahlungsunfähig ist ein Unternehmen dann, wenn es sowohl nicht in der Lage ist seine fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen als auch die bestehende Liquiditätslücke innerhalb von drei Wochen vollständig zu schließen.Typische Anzeichen für das Vorliegen einer Zahlungseinstellung sind laut höchstrichterlicher Rechtsprechung u.a. die Nichtbegleichung von Sozialversicherungsbeiträgen, dauerhafte schleppende Zahlungsweise sowie zurückgegebene Lastschriften. Von einer Zahlungseinstellung ist dann nicht auszugehen, wenn der Schuldner die Verbindlichkeit dem Grunde oder der Höhe nach bestreitet. Allerdings ist im Rahmen der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit insbesondere das Bestreiten von Verbindlichkeiten durch den Berufsträger kritisch zu prüfen.

Um die Zahlungsunfähigkeit von der Zahlungsstockung abgrenzen zu können, ist zunächst ein stichtagsbezogener Finanzstatus und darauf aufbauend eine zeitraumbezogener Finanzplan aufzustellen.

Der Detaillierungsgrad des Finanzplans hängt sowohl von der bestehenden Liquiditätslücke, der Länge des Prognosezeitraums sowie den Besonderheiten des Einzelfalls ab.

Ergibt sich aus dem stichtagsbezogenen Finanzstatus, dass der Schuldner seine fälligen Zahlungsverpflichtugen erfüllen kann, ist keine Zahlungsunfähigkeit gegeben und die Erstellung eines Finanzplans ist nicht mehr erforderlich. Allerdings hat der Schuldner weiterhin die Liquiditätsentwicklung seines Unternehmens kritisch zu verfolgen. Kommt der Schuldner zu dem Ergebnis, dass er seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann, ist ausgehend von dem Finanzstatus anhand von erwarteten Ein- und Auszahlungen zusätzlich der Prognosezeitraum in einer Liquiditätsplanung zu berücksichtigen.

Eine Überschuldung liegt nach § 19 Abs. 2 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt sowie die Fortführung des Unternehmens nicht mehr wahrscheinlich ist.

Die Überschuldungsprüfung erfolgt in der Regel zweistufig.

Die Fortbestehensprognose ist die Aussage über die zukünftige Lebensfähigkeit des Unternehmens. Sie wird auf der Grundlage des Unternehmenskonzepts und dem aus der integrierten Planung abgeleiteten Finanzplan getroffen.

Für den Fall einer negativen Fortbestehensprognose sind das Vermögen und die Schulden des Unternehmens in einem stichtagsbezogenen Status zu Liquidationswerten gegenüberzustellen. Ergibt sich hieraus ein negatives Reinvermögen, liegt eine Überschuldung vor und die gesetzlichen Vertreter haben einen Insolvenzantrag unter Berücksichtigung der Dreiwochenfrist zu stellen.

Die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose umfasst i.d.R. nur das laufende und das folgende Geschäftsjahr, da die Prognoseunsicherheit im Zeitablauf zunimmt.

Zusammenfassend dient der IDW S 11 sowohl den gesetzlichen Vertretern eines Unternehmens als auch Beratern als Leitlinie zur „Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen“ unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Gefällt dir was du siehst? Teile es!

Kommentare

Registeren oder anmelden um zu kommentieren.