Die Runneburg

Die Runneburg im thüringischen Weißensee-ein Kleinod der deutschen Romanik Die Burg Weißensee, heute weithin als Runneburg bekannt, liegt 30 Kilometer nördlich von Erfurt, inmitten des Thüringer Beckens, auf einem Plateau im sonst flachen Land zusammen mit der gleichnamigen Kleinstadt.

Erstellt vor 10 Jahren
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Die bis heute erhaltene Ringmauer, der Graben und zwei Türme schützten die herrschaftlichen Wohngebäude, als die Burganlage während des staufisch-welfischen Thronstreits Anfang des 13. Jahrhunderts zwei Mal erfolglos belagert wurde. Der Palas zählt trotz tiefgreifender Umbauten des 16. Jahrhunderts, als die Burg Sitz des Amtes Weißensee war, zu den bedeutendsten romanischen Profanbauten Deutschlands. Seine reiche Kapitellplastik, kostbare farbige Säulenschäfte und die später vermauerten Rundbogenfenster mit Drillingsarkaden im Hauptsaal des ersten Obergeschosses zeugen von einem hohen künstlerischen Anspruch. Die Erbauung der hochmittelalterlichen Burg durch die Ludowinger, die die Landgrafenwürde von 1131 bis 1247 innehatten, führte 1168 zu einem Rechtsstreit. Die Grafen von Beichlingen beschwerten sich bei Kaiser Friedrich I. Barbarossa darüber, dass die Burg auf ihrem Territorium errichtet worden sei. Doch dieser entschied zugunsten der Ludowinger mit der Begründung, dass Landgräfin Jutta, die gleichzeitig seine Schwester war, auf halbem Wege zwischen dem westlichen Herrschaftszentrum um die Wartburg und dem östlichen Territorium um die Neuenburg bei Freyburg an der Unstrut einen festen Platz zum Verweilen benötige. Während der Thronstreitigkeiten zwischen Staufern und Welfen stand das stark befestigte Weißensee 1204 und 1212 im Mittelpunkt militärischer Auseinandersetzungen. König Otto IV. setzte 1212 bei der verlustreichen und schweren Belagerung der Anlage erstmalig in Deutschland eine mauerbrechende Steinschleudermaschine (Blide) ein. Als 1247 das Geschlecht der Ludowinger erloschen war, fiel die Landgrafenwürde für Thüringen an die wettinischen Markgrafen von Meißen und späteren Kurfürsten von Sachsen. Bei der Landesteilung von 1485 kam Weißensee an die albertinische Linie der Wettiner. Von 1554 bis 1581 erfolgte ein schlossartiger Umbau der Burg, wovon besonders der Palas und der Wohnturm betroffen waren. Die knapp anderthalb Hektar große Burganlage wird von einer Ringmauer des 12. Jahrhunderts umfasst. Sie hat eine durchschnittliche Höhe von sechs bis sieben Metern. Ihre Mauerstärke schwankt im Kronenbereich zwischen anderthalb und zwei Metern. In ihrem Inneren haben sich nur wenige mittelalterliche Bauten erhalten. Durch Grabungen im Burgbereich ist nachgewiesen, dass sich die einst vorhandenen Bauten gegen die Innenseite der Ringmauer lehnten und um den gesamten Bering herumzogen. Man betritt die Burg noch heute durch das mittelalterliche Kammertor an der Ostseite. Seine Außenseite zeigte eine repräsentative Blendgliederung mit seitlichen Lisenen und einem darüber liegenden Bogen- und Röllchenfries. Heute beherrscht der erhaltene hochmittelalterliche fünfgeschossige Wohnturm mit dem verzahnten und sich anschließenden Palas die Bebauung. Der Komplex ist annähernd zu einem Bau zusammengewachsen. Ihren Kern bildet der dreigeschossige Palas mit dem Hauptsaal, in dem sich weite Fensterarkaden, ein Säulenportal und Bruchstücke romanischer Rankenkapitelle sowie Friese und Rundbogenstäbe erhalten haben.

Er wirkt wie eine riesige überdachte Terrasse. Das Erdgeschoss eines sich hofseitig anschließenden Wohnbaus wurde durch eine im Kellergeschoss eingebaute Heizungsanlage mit Warmluft erwärmt ein sehr seltenes Zeugnis hochadligen Wohnkomforts aus jener Zeit. Das Erdgeschoss des Palas nimmt zwei unterschiedlich große Räume auf. Sie besaßen ursprünglich zum Hof hin repräsentative rundbogige Portale mit Säulenpaaren. Das Portal des westlichen Raumes ist noch vorhanden. Von den ehemaligen Triforienfenstern, die bereits um 1200 zugesetzt wurden, haben sich drei Kapitelle erhalten, die mit flach ornamentierten, gestielten Palmetten geziert sind. Nach Süden eröffnete je eine Gruppe aus drei Fenstern den Blick in das Umland. Die Raumdecken wurden durch Säulen gestützt. Die Säule des östlichen Raumes ist von besonderer Gestalt: Regelmäßig angeordnete, stilisierte Aststümpfe zieren ihren Schaft, das hervorragend gearbeitete Kapitell überzieht zum Teil ein vollplastisches Weinrankenwerk mit Trauben. Diese „Astsäule“ ist ein ausgesprochen seltenes Motiv mittelalterlicher Bauplastik und gehört zum Qualitätsvollsten seiner Art im mitteldeutschen Raum bzw. sogar nördlich der Alpen. Das Obergeschoss wird von einem flachgedeckten Saal mit einem Vorraum eingenommen. Ein in Resten noch erhaltenes Portal in der Nordwand gewährt Zugang.Die Südwand des Saals war auf seiner gesamten Länge von einer siebenfachen pfeilergestützten Arkatur mit großem dreigeteiltem Fenster durchbrochen. Die seitlichen Kapitelle der nördlichen Doppelarkade haben sich mitsamt ihren Basen erhalten. Die Kapitelle sind mit kräftigen, aufsteigenden Palmettenstengeln geziert. Sie greifen auf das Gewände über und fassen jeweils vier Kapitelle zu einer Kapitellzone zusammen. Die Ornamentik der Bauplastik des Palas weist formale Ähnlichkeiten mit jener der Wartburg auf. Verschiedene architektonische Schmuckformen können neben der Wartburg auch mit dem Naumburger Dom verglichen werden. Vermutlich waren hier dieselben Bauhütten beschäftigt. Die weitere wissenschaftliche Untersuchung der Runneburg und der denkmalpflegerische Umgang mit ihr ist, neben der Wartburg, eine der letzten Chancen der deutschen Kunstgeschichtsforschung einen romanischen Palas in dieser in situ befindlichen Qualität, vorerst fiktiv, zu rekonstruieren. Nicht zuletzt deshalb ist die Weißenseer Burg das vornehmste Ausstellungsstück selbst, gerade im Gedenkjahr an die Landgräfin Elisabeth , die heute als Heilige verehrt wird. Der Runneburgverein Weißensee/Thür. e. V. ist diesem Anliegen bereits seit seiner Gründung verpflichtet. Und die zahlreichen, um den Erhalt der Burg engagierten Bürger hoffen darauf, dass sich der Freistaat Thüringen und die Stiftung “Thüringer Schlösser und Gärten” noch stärker als bisher zu diesem für die Landesgeschichte kulturstiftendem Bauwerk bekennen. (Thomas Stolle für ein Fotokalenderprojekt im August 2013, erscheint Nov.2013)

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