Auszug aus der Masterarbeit

4.3.1 Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 8 IV UWG

[1]Gerichtsentscheidungen zum Einwand des Rechtsmissbrauchs ergehen wegen § 8 IV UWG in erster Linie in wettbewerbsrechtlichen Fällen.

Erstellt von HenrikeK vor 9 Jahren
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Nach § 8 I UWG kann, wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht. Sofern dieser Unterlassungsanspruch nur genutzt wird, um Kostenerstattungsansprüche entstehen zu lassen, ist die Anspruchsgeltendmachung nach § 8 IV UWG rechtsmissbräuchlich. Diese Vorschrift sei zwar als Spezialvorschrift des Wettbewerbsrechts nicht übertragbar auf urheberrechtliche Ansprüche, doch kann die Geltendmachung urheberrechtlicher Ansprüche nach allgemeinen Grundsätzen rechtsmissbräuchlich sein. Danach kann bei der Rechtsverfolgung von Urheberrechten nicht unberücksichtigt bleiben, wenn eine Abmahnung nicht nur sachlich unberechtigt ist, sondern sie sich auch im sonstigen Inhalt oder der Form nach als unzulässig erweist. Wenn daher die konkreten Umstände eines Streitfalls bereits die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Anspruchsverfolgung wegen Art und Weise der Verfolgung rechtfertigen, so muss dies erst recht für Abmahnungen gelten, die sich wegen Filesharings an Verbraucher richten. Das Urheberrechtsgesetz regelt nicht die Folgen einer missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen.

Eine entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 4 UWG im Urheberrecht kommt nicht in Betracht, da die beiden Rechtsgebiete unterschiedlich sind. Im Wettbewerbsrecht führt eine im Sinne des § 8 IV UWG missbräuchliche Abmahnung auf Unterlassung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu, dass der Unterlassungsanspruch auch nicht mehr gerichtlich geltend gemacht werden kann und eine nachfolgende – für sich genommen nicht missbräuchliche – Klage unzulässig ist. Im Urheberrecht trifft dieser Grundsatz nicht zu. § 8 Abs. 4 UWG hat außerdem auch die Funktion des Schutzes der Allgemeinheit durch die weitgefasste Anspruchsberechtigung in § 8 III UWG. Ein und derselbe Wettbewerbsverstoß kann demnach durch eine Vielzahl von Anspruchsberechtigten verfolgt werden. Dies erleichtert die im Interesse der Allgemeinheit liegende Rechtsverfolgung. Im Urheberrechtsgesetz ist dagegen allein der Verletzte berechtigt, seinen Anspruch durchzusetzen. Die Berechtigung zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen besteht nicht auch im Interesse der Allgemeinheit, sondern allein im Interesse des Verletzten. Hätte eine missbräuchliche Abmahnung zur Folge, dass der Verletzte seine Ansprüche auch nicht mehr gerichtlich geltend machen könnte und eine nachfolgende Klage unzulässig wäre, müsste er die Rechtsverletzung endgültig hinnehmen. Für eine so weitgehende Einschränkung seiner Rechte gibt es keinen sachlichen Grund, sodass § 8 IV UWG nicht Anspruchsgrundlage für eine Beschwerde bzw. einen Unterlassungsanspruch für den Verletzten sein kann.

Die Bundesrechtsanwaltskammer hatte im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie zwar angeregt, im Urheberrechtsgesetz eine Missbrauchsvorschrift nach dem Vorbild von § 8 Abs. 4 UWG einzuführen.[2] Der Gesetzgeber hat dem jedoch nur insofern entsprochen, als dass er im neuen § 97a IV UrhG den Gegenanspruch auf Erstattung der anwaltlichen Kosten bei unwirksamer oder unberechtigter Abmahnung manifestiert hat. Allerdings gilt bereits auch für urheberrechtliche Ansprüche das allgemeine Verbot unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB, auf dem § 8 UWG selbst auch beruht. § 242 BGB kann daher grundsätzlich auch für das Urheberrecht fruchtbar gemacht werden, nicht aber § 8 UWG.[3]

[1] Tyra, Ausgewählte Probleme aus der Abmahnpraxis, S. 941-942.

[2] BRAK, Stellungnahme Oktober 2007, Nr. 38/2007, S. 6.

[3] BGH, Urteil vom 31.05.2012, AZ. I ZR 106/10, NJW 2013, 787; Nordemann, Urheberrecht, § 97, Rn. 189 ff.; Kefferpütz, Kommentar zum Urheberrecht, § 97, Rn. 18 ff.; Dreier, UrhG, § 97 a, Rn. 8.

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