Das globalisierte Finanzsystem

2. Das globalisierte Finanzsystem

Janis Günther

2.1 Das evolutionsökonomische Modell der Pfadabhängigkeiten

Um die Entstehung des Finanzplatzes Frankfurt am Main verstehen zu können müssen zunächst einige theoretische Grundlagen erläutert werden.

Erstellt von Günther vor 10 Jahren
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Das evolutionsökonomische Modell der Pfadabhängigkeiten, das ursprünglich aus dem Jahre 1994 (Arthur) stammt und von Porteous in den Jahren 1995 und 1999 weiterentwickelt wurde, erklärt sehr gut, wie es zu einer Agglomeration von Finanzdienstleistern kommt und warum daraus mächtige Finanzplätze entstehen. (vgl. Lo 2001 S. 27) (vgl. Grote 2003 , S. 203)

Eine Pfadabhängigkeit ist dann gegeben, “wenn die Sequenz vorangegangener Ereignisse Einfluss auf zukünftige Ereignisse hat” (Bathelt 2003, S. 239). Ausgangspunkt dieses Modells ist eine Menge an möglichen Standorten, die unterschiedliche Vorraussetzungen auf geographischer und ökonomischer Ebene bieten. (vgl. Grote 2003, S. 203) “Es wird angenommen, daß Banken nacheinander einen Standort wählen.” (Grote 2003, S. 203) Nachdem sich eine Bank an einem bestimmten Standort niedergelassen hat, wird dieser im Nachhinein selten gewechselt, da dies hohe Kosten verursachen würde.(vgl. Grote 2003, S. 203) Porteous macht das sogenannte information hinterland für die Lokalisierung eines Finanzplatzes verantwortlich. Das information hinterland ist dabei “die Region, für die ein bestimmtes Finanzzentrum den besten Zugang bietet, um die Informationsflüsse von dort profitabel zu verwerten.” (Grote 2003, S. 203) Aus den geographical benefits und den agglomeration benefits setzt sich der Gewinn der Banken zusammen. Die geographical benefits beschreiben diejenigen Gewinne, die durch die Standortwahl erzielt werden. Die agglomeration benefits diejenigen, die durch die Anwesenheit anderer Unternehmen in dieser Region entstehen. (vgl. Grote 2003, S. 203)

“Die Wahrscheinlichkeit, mit der die als nächtes eintretende Bank einen bestimmten Standort wählt, hängt somit von der Anzahl der Banken an diesem Standort ab.” (Grote 2003, S. 203) Dabei wird eine Mischung aus Zufällen, in Form von historischen Ereignissen und den geographischen Vorteilen angenommen. Nach dieser ersten Phase schließt sich eine Phase der Verfestigung an. Dabei können positive Rückkopplungen entstehen, die die bisher entstandenen Strukturen dauerhaft werden lassen. (vgl. Schamp 2002, S. 43-44) Es reicht jedoch nach gewisser Zeit nicht mehr aus nur die historischen Zufälle als weiteren Wachstumsfaktor zu sehen. Die Einsicht in die Prozesse und in die spezifischen Agglomerationsvorteile ist unerlässlich.(vgl. Grote 2003, S. 204)

Entscheidend ist nicht nur die Anzahl der angesiedelten Unternehmen sondern auch die von Unternehmern geschaffenen Bedingungen an einem Standort. Also vor allem die Art des Umgangs miteinander. Man spricht hier von den codes of conduct also den Verhaltensregeln. (vgl. Grote 2003, S. 204) Die codes of conduct werden den Agglomerationsvorteilen zugerechnet “und sind somit lokale positive externe Skalenerträge.” (Grote 2003, S. 204) Ein Skalenertrag gibt die Erhöhung der Produktionsmenge in Abhängigkeit vom Prozessniveau an. (www.wirtschaftslexikon24.net) Die einmal getroffene Standortentscheidung wird durch diese Abläufe weiter verfestigt.

An einem Beispiel lässt sich das evolutionsökonomische Modell der Pfadabhängigkeit bildlich darstellen. Ein Standort hat beispielsweise einen Bankenanteil von 30%. Des Weiteren wird angenommen, dass die Wahrscheinlichkeit für die nächste Bank, auch diesen Standort zu wählen bei unter 30% liegt.Das bedeutet für den Standort, dass die Situation nicht stabil ist. Ein Gleichgewicht ist nur dann gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit für die nächste Bank, diesen Standort zu wählen, gleich dem Anteil der Banken am Standort ist. Es gibt drei Möglichkeiten für diesen Zustand: Möglichkeit A der Anteil der Banken am Standort geht gegen null, Möglichkeit B der Anteil der Banken am Standort geht gegen 100% und Möglichkeit X. (vgl. Grote 2003, S. 204) Bei Möglichkeit X ist das Gleichgewicht instabil, denn der Anteil der Banken am Standort, sowie die Wahrscheinlichkeit für die nächste Bank beträgt 50%. Selbst kleine zufällige Ablenkungen führen zu einem der beiden Gleichgewichte, Möglichkeit A oder B. Deutlich wird an diesem Beispiel der Begriff der “kritischen Masse”. (vgl. Grote 2003, S. 205) Wird einmal ein gewisser Anteil an Unternehmen überschritten “kommt ein Prozess in Gang, der eine Region zu der bei weitem dominierenden macht.” (Grote 2003, S. 205) Der umgekehrte Effekt gilt für die Unterschreitung der kritischen Masse. Wird sie nicht erreicht besagt die Theorie, dass die Zahl der Unternehmen im Lauf der Zeit auf null zurück fällt. (vgl. Grote 2003, S. 205)

Die zweite Theorie, die eine entscheidende Rolle bei Globalisierungsvorgängen spielt ist die sogenannte time-space compression. (vgl. Bathelt 2003, S. 264) Die Weiterentwicklung im Bereich der Kommunikationstechnologien und der Modernisierung und Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur führt dazu, dass große Entfernungen nicht mehr als wirkliches Hindernis gesehen werden. Abb. 1 stellt dieses Phänomen sehr gut dar.

Man spricht auch vom “zeitkompakten Globus”. Vor allem die Innovationen in der modernen Luftfahrt und die Entwicklung von Hochgeschwindigkeitszügen, sowie die Massenmotorisierung der Gesellschaft waren treibende Kräfte dieser Entwicklung. Allgemein kann man sagen, dass Entfernungen Technologie bedingt zu schrumpfen scheinen. Das intranet, das internet und der Austausch von emails schaffen eine virtuelle Nähe. (vgl. Bathelt 2003, S. 264) Man könnte nun annehmen, dass die räumliche Nähe keine oder nur eine untergeordnete Rolle einnähme. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. “In den Zeiten globaler Märkte wird räumliche Nähe [...] wichtiger als je zuvor.” (Lo 2001, S. 27) Das sogenannte face-to-face Gespräch ist nach wie vor die Grundlage vieler Geschäfte. (vgl. Lo 2001, S. 27) Einige Informationen sind einfacherer Natur und können ohne Qualitätsverlust mit Hilfe der modernen I&K Technologien transportiert werden. Handelt es sich jedoch um komplexere Informationen muss mit steigender Entfernung auch mit einer Abnahme der Qualität gerechnet werden. (vgl. Grote 2003, S. 205) Man unterscheidet zwischen implizitem und explizitem Wissen. Das implizite Wissen ist beispielsweise die Idee einer Person und damit auch sehr schwierig über I&K Technologien zu vermitteln. Es wird deutlich, dass ein face-to-face Kontakt zwingend erforderlich ist, wenn ein Qualitätsverlust vermieden werden soll. (vgl. Grote 2003, S. 206)

2.2 global cities

Soweit zu Entwicklung des globalisierten Finanzsystems. Ein Schlagwort, dass im Zusammenhang mit globalen Finanzplätzen immer wieder fällt sind die sogenannten global cities. Dabei handelt es sich um Städte, die im Zentrum eines neuartigen transnationalen Städtesystems stehen. Charakteristika sind eine überragende globale Bedeutung im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich. (vgl. Bronger 2004, S. 145) All diese Faktoren lassen sich auch quantifizieren. Es gibt einen sogenannten GPCI einen global power city index. Dieser wurde im Oktober 2009 vom Institute for Urban Strategies at The Mori Memorial Foundation veröffentlicht. Dabei wurden 35 Städte an Hand von 69 teilweise unterschiedlich gewichteten Indikatoren untersucht. Ziel war dabei eine möglichst exakte Aussage über die Leistungsfähigkeit einer Stadt zu bekommen. (vgl. www.mori-m-foundation.or.jp) In der Kategorie Wirtschaft nehmen die Städte New York, London und Tokyo die ersten drei Plätze ein. Um einen Einblick zu bekommen werden die drei Städte im Folgenden anhand ihres Handelsvolumens im Oktober 2009 (Mio. US-$) verglichen.

New York Stock Exchange (NYSE) – 11.391.814

London Stock Exchange (LSE) - 3 2.642.777

Tokyo Stock Exchange (TSE) - 1 3.335.316,4

(vgl. www.world-exchanges.org)

Klar ersichtlich ist, dass der New York Stock Exchange klar dominiert. Die Gruppe “Deutsche Börse” hatte im Vergleich hierzu im selben Monat “nur” ein Handelsvolumen von 1.226.410,4 Mio US-$. (vgl. www.world-exchanges.org)

2.3 Der Internationale Währungsfond

Wenn es sich um Geldsummen in dieser höhe handelt, ist es notwendig, dass es Institutionen nationaler und globaler Art geben muss, die die Abwicklung von Geschäften überwachen. Einige dieser Institutionen wurden bereits im ersten Kapitel erläutert. Des Weiteren müssen länderübergreifende Transaktionen mit diesem Volumen überhaupt erst ermöglicht werden.

Eine der wichtigsten internationalen Institutionen, die im globalen Finanzdiensleistungsbereich tätig ist, ist der Internationale Währungsfond bzw. im englischen der international monetary fund. Der international monetary fund wurde 1945 mit Sitz in Washington gegründet. Momentan hat er 182 Mitglieder. Seine Aufgaben bestehen vor allem in der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Währungspolitik. Er ist weder eine Entwicklungsbank noch eine Weltzentralbank. Des Weiteren handelt es sich nicht um eine Institution, die ihre Mitgliedsländer zu irgendetwas zwingen kann oder möchte. Er ist vielmehr eine auf Zusammenarbeit ausgerichtet Institution, der bisher 182 Länder freiwillig beigetreten sind, da sie erkennen welche Vorteile der international monetary fund bezüglich Aufrechterhaltung eines stabilen Systems, sowie dem An- und Verkauf ihrer Währungen mit sich bringt. (vgl. www.imf.org)

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