Ein Platz für Zigeuner (Auszug)

Erstellt vor 11 Jahren
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Der 20. Juli findet in der Öffentlichkeit jährlich breiten Raum. Die Bedeutung des Attentats auf Hitler wird oft recht kontrovers diskutiert. Den einen war die Verschwörung „eine große Koalition dessen, was man heute den demokratischen Grundkonsens nennt“. Andere wollten deutlicher unterscheiden, „wer von Beginn an gegen den NS-Staat kämpfte und wer nur seinen eigenen Kopf angesichts der unausweichlich gewordenen Niederlage ... retten wollte“. Oft bleibt da wenig Raum, an die Opfer einer Minderheit zu denken: an die Roma, deren Vernichtung einen Monat nach dem Hitler-Attentat begann, deren systematische Verfolgung aber seit langem in Deutschland breit verankert war.   Recht spät erst wurden die Zigeuner in die „Endlösung“, die Vernichtung der nichtarischen Rassen einbezogen. Der entscheidende Grund dafür war, daß schon die Kaiserzeit und die Weimarer Republik die systematische Verfolgung dieser fremden Volksgruppen praktizierten. Der Bayerische Staat war vorangegangen. Im März 1899 wurde beim Bayerischen Staatsministerium des Inneren eine „Zigeunerzentrale“ gegründet; amtlich geführt als „Nachrichtendienst für die Sicherheitspolizei in bezug auf Zigeuner“. Deren Aufgabe war die kriminaltechnische Bearbeitung aller „Zigeuner und auf Zigeunerart herumziehenden Personen“. In einem „Zigeunerkataster“ wurden Name, Geburtsort und - zeit, Abstammung, Familienzugehörigkeit, Beruf, körperliche Kennzeichnung, Strafen.... erfaßt, als Handhabe, wie es hießt, gegen die „Zigeunerplage“. 1926 verhängte die Bayerische Regierung mit Gesetzeskraft einen „sicherheitspolitischen Arbeitszwang“ über alle Zigeuner, die älter als 16 Jahre waren. Wer keiner geregelten Arbeit nachging, konnte ohne Gerichtsurteil in ein Arbeitshaus eingewiesen werden.   Das frühzeitige Bemühen der Bayerischen Regierung, die „Zigeunerzentrale“ deutschlandweit zu organisieren, scheiterte vorerst an der Landeshoheit der Polizei. Erst Reichsinnenminister Heinrich Himmler erhob die bayerische „Zigeunerzentrale“ am 16.04.1938 in eine „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ und gliederte diese dem Reichskriminalpolizeiamt an. Angesichts der langjährigen Vorgeschichte der „Zigeunerverfolgung“ ließ der NS-Staat sich offenbar Zeit bei der Vernichtung dieser „Rasse“. Zudem gab es Zuordnungsprobleme: die „Rassenhygienische und Erbbiologische Forschungsstelle“ sprach davon, daß einige Zigeuner nachweislich arischen Ursprungs waren.   Ende 1938 wurde verfügt: alle Zigeuner haben sich einer rassenbiologischen Untersuchung zu unterziehen. Diese sollte unterscheiden zwischen „Zigeunern“, „Zigeunermischlingen“ und „nach Zigeunerart herumziehenden Personen“. Den wenigen „reinrassigen“ Zigeunern wollte man „im Rahmen eindeutiger Beschränkungen die Möglichkeit zu einem abgesonderten arteigenen Leben“ geben. Ende 1942 kam dann der Auschwitz-Erlaß: „Einweisung von Zigeunermischlingen, Rom-Zigeunern und balkanischen Zigeunern in ein Konzentrationslager“. „Reinrassige Sinti und Lalleri-Zigeuner“ sollten von der Deportation ausgenommen werden. Ebenso „zigeunerische Personen“, die Wehrdienst leisten oder mit Auszeichnungen aus dem Wehrdienst ausgemustert waren, die in der Rüstungsindustrie arbeiten oder „seit Jahren in fester Arbeit standen und festen Wohnsitz haben“.   Die für eine solche Selektion zuständigen Dienststellen gaben sich überfordert. Im Februar 1943 wurden Tausende Zigeuner unterschiedslos nach Auschwitz ins „Zigeunerlager“ deportiert und hier bis Sommer 1944 nach dem Auschwitz-Erlaß „durchsiebt“. Offenbar nur flüchtig - denn es gab wenige, mit Ausnahme von Arbeitsfähigen, die von der Vernichtung in den Gaskammern am 3. August 1944 verschont blieben.
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