Die Idee der modernen Nation in ihrer Bedeutung für die staatliche Erziehung

Der moderne Staat unterscheidet sich vom traditionellen Staat grundlegend, beginnend bei seiner Herrschaftsform. Während im traditionellen Staat ein Souverän die Herrschaftsgewalt über eine Gruppe von Menschen innerhalb eines bestimmten geografischen Raumes hatte, beruht das moderne Nationalstaatsprinzip auf der Verbindung von Volkssouveränität und Selbstbestimmung, den Grundsätzen seit der Französischen Revolution. Der Staat wird nunmehr durch die sich in ihm organisierende Nation legitimiert (Weiß, 1996). Während der traditionelle Staat Erziehung zur Legitimation seiner Herrschaftsform benötigte, hat staatliche Erziehung im modernen Staat die Aufgabe, alle Mitglieder der Gesellschaft zu mündigen, handlungsfähigen Bürgern zu heranzubilden.

Erstellt von donspeedy vor 11 Jahren
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Zunächst einmal ist eine Nation eine politische Gemeinschaft, eine soziale Gruppe, die durch die Gemeinsamkeit von Abstammung, Wohngebiet, Sprache, Religion, Kultur oder Ähnlichem gekennzeichnet ist. Ihre Angehörigen sind von Ihrem Anderssein gegenüber anderen Nationen überzeugt. Viele dieser Gemeinsamkeiten jedoch werden nicht mit der Geburt erworben, sondern sind ein Prozess jahrelanger Sozialisationsprozesse (Weiß, 1996). Erwachsene übermitteln im Laufe dieser Prozesse ihre Kultur an ihre Kinder, machen aus ihnen sozio- kulturelle Personen. Der Mensch erwirbt erst im Verkehr mit seiner sozialen Umwelt Sprache, Verhaltensweisen und Vertrautheit mit den Werten und Zielen der Gesellschaft, in die er hineingeboren wurde (Fisch & u.a., 1985). Dementsprechend wird er durch Erziehung durch seine Mitmenschen erst zu einem Mitglied der Nation, welches sich durch Handlungsfähigkeit auszeichnen muss, um zur Erhaltung des Nationalstaatsprinzips beizutragen. Was jedoch bedeutet dies für die heutige Situation eines modernen Staates?

Seit dem 18. Jahrhundert gilt der Satz "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." als das Grundprinzip des demokratischen Staates. Demokratie ist also nicht nur eine Staatsordnung, sondern eine Lebensordnung, die von Freiheit, Gleichheit und Menschenwürde ausgeht und versuchen muss, den Anspruch der "Volksherrschaft" dadurch zu verwirklichen, dass die von einer Entscheidung Betroffenen in möglichst hohem Maße an der Entscheidung beteiligt werden (Fisch & u.a., 1985). Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Betroffenen einerseits um die Funktionsweise des Systems wissen, um in ihm mitwirken zu können, andererseits aber auch generell zu handlungsfähigen selbstständigen Subjekten erzogen worden sind. Es gelten die Prinzipien von Gleichberechtigung und Chancengleichheit. Diese können nur dann gegeben sein, wenn Kinder und Jugendliche eine Erziehung genießen, die auf den gleichen Grundsätzen beruht und dieselben Kompetenzen an alle vermittelt, soweit dies in ihrer Macht steht. Am Ende dieses Erziehungsprozesses also müssen Jugendliche zu Entscheidungsträgern geworden sein, die die demokratischen Prinzipien kennen, die wissen, welche Rolle ihnen innerhalb des Staates zukommt und die sich darüber bewusst sind, dass jedes einzelne Mitglied der Nation den Staat konstituiert, in dem er lebt – mit mehr oder weniger umfangreichen Entscheidungsbefugnissen.

Wie wichtig die beschriebenen Funktionen der Erziehung für eine Demokratie sein können, zeigt die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts mit den Folgen des 2. Weltkrieges. So war zum Beispiel für die Amerikaner nach 1945 die "Erziehung das einzige und beste Werkzeug, ‚um noch im gegenwärtigen Geschlecht in Deutschland die Demokratie' zu erreichen. Dabei wurde auch hier unter Demokratie [auch hier] nicht nur eine Regierungsform, sondern vor allem eine Lebensform verstanden, die bis ins einzelne gelehrt werden müsse. Sie stellten sich unter anderem die Verwirklichung von Sozialunterricht als Unterrichtsprinzip und die Einführung neuer Unterrichtsmethoden auf der Grundlage eines partnerschaftlichen Lehrer-Schüler- Verhältnisses vor(Andersen & Woyke, 1997).

Trotzdem es den Amerikanern aus unterschiedlichen Gründen nicht gelungen ist, strukturelle Reformen des Bildungswesens durchzusetzen, wurden die Anregungen zur politischen Bildung jedoch von verschiedenen Bundesländern aufgegriffen und es bleibt zu hoffen, dass die Erziehung, ebenso wie sie zur Vermittlung von Tradition und Kultur von Generation zu Generation beiträgt, dazu beisteuern wird, die Prinzipien der Volkssouveränität und Selbstbestimmung zu erhalten, die es ermöglichen, eine Nation zu einem Staatsgebilde zusammenzuschließen und dieses nach den Prinzipien der Demokratie zu regieren.


Literaturverzeichnis
Andersen, U., & Woyke, W. (1997). Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. Opladen: Leske + Budrich.
Fisch, H., & u.a. (1985). Sozialwissenschaften. Frankfurt am Main : Fischer Taschenbuch Verlag.
Weiß, J. (1996). Meyers Taschenlexikon. Mannheim: B.I.-Taschenbuchverlag.

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