Irigary

Luce Irigaray und die différence sexuelle

Die Konstruktion der parler femme und deren Bedeutung für den sex und gender Diskurs

Inhalt

I. Einleitung.

Erstellt von SashaW vor 9 Jahren
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3

II. Luce Irigaray und das Konzept des différence sexuelle. 4

1.1. Die philosophischen Voraussetzungen der Theorie der différence sexuelle. 4

1.2. Die Theorie des différence sexuelle nach Luce Irigaray. 6

1.3. Exkurs: Die Prägung der Sprache durch das Männliche – der Phallogozentrismus 8

III. parler femme: Die Konstruktion einer weiblichen Gegensprache. 9

1. Die weibliche „Gegensprache“ als positive sexuelle Identität der Frauen. 9

2. Abschließende Stellungnahme dem sex und gender Diskurs nach dem Modell von Irigaray 11

V. Schlussfolgerung. 12

Literaturverzeichnis. 13

  1. Einleitung

Die vorliegende Ausarbeitung setzt sich mit der belgischen Psychoanalystin und Literaturwissenschaftlerin Luce Irigaray und ihrer Theorie der différence sexuelle auseinander. Die Theorie erklärt sich zum einen aus den philosophischen Betrachtungen von Heidegger und Derrida. Weiterhin setzt sie sich aus psychoanalytischen Theorien zusammen, von denen insbesondere die von Jacques Lacan von zentraler Bedeutung ist. Aufbauend auf diesen theoretischen Theorien wird gezeigt, dass sich die Weltordnung als vom Männlichen bestimmt darstellt. Demnach wird die Ordnung von einem binären System bestimmt, dem System des Männlichen. Die Bedeutung der soeben dargestellten Ansätze für das Verständnis der différence sexuelle macht es notwendig, diese im Rahmen der Arbeit näher zu betrachten. Die Betrachtung bildet die Grundlage für den zentralen Ansatzpunkt der Analyse, der Frage, inwiefern die Sprache männlich geprägt ist und ob sich daraus die Notwendigkeit der Konstruktion einer weiblichen Gegensprache als logische Konsequenz für eine neue Ordnung ergibt. Die Bedeutung der Frage erschließt sich im Hinblick auf den sex und gender Diskurs, der zu einem Neu-Denken in der Gesellschaft respektive Wissenschaft auffordert. Das methodische Vorgehen der Fragestellung erfolgt in einer Zweiteilung der Arbeit. Wie bereits dargestellt, stellt der erste Teil eine analytische Kurzfassung der philosophischen wie auch psychoanalytischen Grundlagen dar. Hierbei wird insbesondere auf Heideggers ontologische Differenz und Derridas Differenzbegriff einzugehen sein. Dem schließt sich die Betrachtung der différence sexuelle an. Dabei wird insbesondere auf den Phallogozentrismus einzugehen sein, der die Grundlage für die spätere Ausarbeitung bildet. Hierbei ist aufzuzeigen, wie das Männliche dominiert und welche Konsequenzen sich daraus im Hinblick auf die Stellung der Frau in der Gesellschaft ergeben. Der zweite Teil der Ausarbeitung befasst sich mit dem Konzept der weiblichen Gegensprache. Dabei ist das Frau-Sprechen, die parler femme, zunächst als positive sexuelle Identität der Frauen nachzuvollziehen. Der zweite Teil schließt durch eine eigene Stellungnahme zu der Bedeutung der parler femme für den sex und gender Diskurs ab.

II. Luce Irigaray und das Konzept des différence sexuelle

1.1. Die philosophischen Voraussetzungen der Theorie der différence sexuelle

Der Begriff der sexuellen Differenz hat seinen Ursprung in der ontologischen Differenz von Martin Heidegger, die im Folgenden von Jaques Derrida und Luce Irigaray rezipiert wurde[1]. Mit der ontologischen Differenz nimmt Heidegger Bezug auf die Divergenzen zwischen dem Sein und dem Seienden[2]. Danach ist das Sein vom Seienden verschieden, jedoch sind beide nicht voneinander getrennt, sondern beziehen sich aufeinander[3]. Ihr Verhältnis wird bestimmt durch die Identität des jeweils anderen:

„Die ontologische Differenz erweist sich so als das Wesen der Metaphysik, wie sie die Metaphysik zu dem ermöglicht, was sie ist: Bestimmung des Seienden in Hinsicht auf das Sein.“[4] Aus dieser Annahme resultiert die Überwindung der fokussierten Betrachtung auf das Seiende durch die Betrachtung auf das Sein[5]: „Das Sein soll jedoch nach vorne kommen, das Fragwürdige des Denkens sein und anstelle des Seienden der Onto-logie als das interessante Fragwürdige wesen und aufgehen.“ Die Annahme der Überwindung des Seienden durch das Sein bezeichnet Heidegger als die Destruktion[6]. Die Destruktion ist somit gleichbedeutend mit einer Aufgabe bisheriger Sichtweisen um eines ursprünglicheren Verstehens willen. Die Frage nach der Beziehung zwischen Seienden und Sein wurde in der Philosophie des späteres 20. Jahrhunderts insbesondere von der französischen Philosophie wieder aufgegriffen. Für den hier zu betrachtenden Kontext der feministischen Literatur ist vor allem die Arbeit von Jacques Derrida von Bedeutung, da sie einen wesentlichen Bezugspunkt für die Theorie der différence sexuelle von Luce Irigaray darstellt[7]. Derrida griff die Kritik Heideggers an der einseitigen Betrachtung der Philosophie hinsichtlich des Seienden wieder auf – die ontologische Differenz – und kontextualisierte diese mit der sexuellen Differenz[8]. Kennzeichnend für die Fokussierung auf das Seiende ist demnach das Vergessen des Seins, das bei Derrida zum metaphysischen Vergessen der Schrift wird bzw. der Schriftvergessenheit. Die Schriftvergessenheit meint die Annahme der allgegenwärtigen „Absenz der Sinnerfüllung der Sprache in der Stimme“[9]. Derrida drückt diese Annahme wie folgt aus: „la détermination historale des sens de l'être en générale comme présence“[10]. Eine solche Absenz ist angelehnt an Heideggers Annahme, das Sein als Präsenz zu denken[11]. In diesem Zusammenhang bildet die zentrale Ausgangsbasis der Annahme die Unterscheidung zwischen Schrift und Sprache[12]. Der Sprache ginge danach eine Form der Schrift voraus, die Derrida mit „archi-écriture“ bezeichnet[13]. Die Differenz begründet sich danach aus einer ursprünglichen, nicht greifbaren Urschrift, die weder metaphysisch sei, noch mit der heutigen Schrift identisch. Jedoch verweist die heutige Schrift auf deren Abwesenheit: „La trace est en effet l`origine absolue du sens en général. Ce qui revient à dire, encore une fois, qu`il n`y a pas d`origine absolue du sens en general. La trace est la différance qui ouvre l`apparaître et la signification. Articulant le vivant sur le non-vivant en général, origine de toute répétition, origine de l’idéalité, elle n’est pas plus idéale qui réelle, pas plus intelligible que sensible, pas plus une signification transparente qu’une énergie opaque et aucun concept de la métaphysique ne peut la décrire” (Derrida, Jacques 1967: De la grammatologie, Paris: de Minuit: 95.) Die Differenz wird dabei zu einem zeitlichen Geschehen, des „ständigen Differierens“[14]. Jedoch beschreibt die différance nach Derrida keinen Dualismus, wie es die deutsche Übersetzung zugrunde legen könnte. Vielmehr bezeichnet der différance –Begriff nach Derrida die „Uneinheitlichkeit des Einen“[15]. Danach erklärt die différance das „Zustandekommen von Abgrenzungsvorgängen“ zwischen strukturellen Qualitäten von Unterschieden, d.h. von Nicht-Identischen[16]. Dabei ist Differenz zwischen dem Nicht-Identischen bereits in den Begriffen selbst angelegt[17]. Aus diesem Verständnis versteht sich Derridas Begriff der Dekonstruktion, der darauf abzielt, sich von der traditionellen Philosophie abzuwenden, als dass diese ein Ausdruck struktureller Machtstrukturen ist[18]. Die Dekonstruktion gliedert sich in die Destruktion (das Zerstören) und die Re-Konstruktion (grundlegende Verschiebung)[19]. Die Verschiebung ist die Notwendigkeit um keine neuen Hierarchien aufzubauen. Zugleich bildet die Dekonstruktion die Voraussetzung zur Umkehr von Hierarchien, indem sie einen Text neu denkt. Danach erklärt sich das Privilegierte erst über das Marginalisierte[20].

1.2. Die Theorie des différence sexuelle nach Luce Irigaray

Die soeben dargestellte Praxis von Derrida wurde durch Luce Irigaray auf die Theorie der différence sexuelle übertragen. Irigaray erklärt die Frage der sexuellen Differenz in Anlehnung an Heidegger als die philosophische Frage unserer Zeit[21]. Voraussetzung für eine solche Annahme ist das Denken der sexuellen Differenz – wie bei Derrida – als Praxis, die sich aus folgender Forderung ergibt: „A revolution in thought and ethics is needed if the work of sexual difference is to taken place. We need to reinterpret everything concerning the relations between the subject and the discourse, the subject and the world, the subject and the cosmic, the microcosmic and the macrocosmic.” (Irigaray, Luce 1993: An Ethics of Sexual Difference, London et al.: Continuum: 8.) Aus dem Zitat geht hervor, dass Irigaray die praktische Forderung erhebt, die sexuelle Differenz neu zu überdenken, so wie es Heidegger mit der ontologischen Differenz forderte. Die Geschlechterrollen werden bei einem solchen Verständnis auf die Gesellschaft als Ganzes übertragen, auf die Literaturwissenschaft wie auch auf die Philosophie. Die grundsätzliche Bedeutung dieses dekonstruktivistischen Denkens ist die Auflösung von Hierarchien, indem die untersuchten Felder in ihrer Re-Interpretation „verschoben“ werden. Ein solches von Hierarchien befreites Verständnis lässt sich mit dem Begriffspaar des „gleichwertigen Differenzbegriffs“ definieren[22]. Das Begriffspaar wurde von der feministischen Vereinigung der Libreria delle donne di Milano sowie durch der Philosophinnengruppe Diotima geprägt, die Irigaray vielfach rezipiert haben[23]. Danach verkörpert ̦Frau̕ „nicht das andere Geschlecht, das dem männlichen Geschlecht gegenübergestellt und untergeordnet ist, sondern ist eins von zwei Geschlechtern.“[24] Die Beziehung zwischen Frau und Mann muss demnach neu gedacht werden, um sie frei von einem klassischen Verständnis zu definieren – sie muss dekonstruiert werden. Der Ausgangspunkt für die praktische Durchführung des theoretischen Ansatzes erschließt sich aus zwei Bezugspunkten. Zum einen ist das Schlüsselwerk Éthique de la différence sexuelle zu betrachten. Der soeben beschriebene Ansatz wird darin durch den Begriff admiration beschrieben[25]: „Pour advenir à la constitution d`une éthique de la différence sexuelle, il faut au moins faire retour a cette passion prèmiere selon Descartes: l`admiration [sic!].“ Die Verwunderung oder das Erstaunen gegenüber dem Anderen ist das, was in der Philosophie Irigarays die Voraussetzung für die Konstruktion eines neuen Geschlechterverhältnisses ist, dass ohne Hierarchie der Geschlechter gedacht werden muss. Aus dieser Praxis erschließt sich eine Neubewertung der sexuellen Differenz in dem die Geschlechter nicht als dualistisch im Sinne von zwei beschrieben wird. Vielmehr ist der Mensch selbst als zwei zu denken – männlich und weiblich. Neben der admiration ist der Zusammenhang zwischen der Philosophie Irigarays und Jacques Lacan zu berücksichtigen. Lacan führte die provokante Aussage an: „Il n`y a pas La femme.“[26] Mit dieser Aussage spricht Lacan dem Weiblichen die Wesenheit ab. Irigaray wendet sich gegen die Vorstellung des Weiblichen als Mangel und die der Konstruktivität des Männlichen in der traditionellen Denkweise: Die traditionelle Dankweise als phallokratische Ordnung bzw. als Phallokratie. Danach dekonstruiere Irigaray die bisherige Denkweise, die als ein strukturierendes Prinzip verstanden wird, das wiederum in der phallogozentrischen Ordnung grundlegend männlich sei[27]. In einer solchen Ordnung „werde die Frau als „Spiegel“ des männlichen Subjekts funktionalisiert“[28]. Zur Überwindung der phallogozentrischen symbolischen Ordnung müsse die Frau als eigenständig konstruiert werden, um somit die Weiblichkeit nicht hierarchisch zu platzieren, sondern sie als eigene Kategorie zu etablieren. Zusammenfassend dekonstruiert Irigaray die Begriffe des Männlichen und Weiblichen nicht nur um zu zeigen, dass das Männliche der klassischen Philosophie, Sprache etc. inhärent ist. Vielmehr fordert sie zu der praktischen Umsetzung auf, die Geschlechter neu zu denken, die dadurch erst zu zwei und dann zu eins werden könnten[29]. Die Bedeutung dieser Theorie erklärt sich demnach erst aus er Prägung der Gesellschaft durch das Männliche. Im folgenden Abschnitt wird zur Vertiefung dieser Problematik auf die Prägung der Sprache durch das Männliche eingegangen.

1.3. Exkurs: Die Prägung der Sprache durch das Männliche – der Phallogozentrismus

In der Phallokratie herrscht nach der Philosophie Irigaray der Phallogozentrismus[30]. Bei dem Begriff handelt es sich um einen Neologismus von Derrida, der die Wörter Phallus und Logos verbindet[31]. Der Logos bezeichnet dabei die „zentrale ̔metaphysische Fixierung̕ der abendländischen Gesellschaft“[32]. Der Begriff Phallus geht wiederum auf Jacques Lacan zurück, der ihn als einen zentralen Bedeutungsträger funktionalisierte. Nach Lacan ist der Phallus Symbol für die väterliche Ordnung[33]. Die väterliche Ordnung ist wiederum Bezugspunkt des Kindes, das nach seinem Bezugspunkt in der Welt sucht. Der Begriff „Spiegelstadium“ nimmt dabei in Lacans Theorie einen Bezug auf das Spiegelstadium des Kindes, in dem es bei dem Blick in den Spiegel mit seinem eigenen Kleinsein konfrontiert wird[34]:

„Man kann das Spiegelstadium als eine Identifikation [sic!] verstehen im vollen Sinne, den die Psychoanalyse diesem Terminus gibt: als eine beim Subjekt durch die Aufnahme eines Bildes ausgelöste Verwandlung.“ (Lacan 1973: 64) Aus dem daraus resultierenden Widerspruch zwischen der Vorstellung über die eigene Größe und der Realität entwickelt das Kind eine gestörte Selbstwahrnehmung, die dem Dialog mit dem Anderen entgegensteht[35]. Auf diese Bedeutung des Phallus bezieht sich Luce Irigaray indem sie wie Derrida den Phallus als Symbol einer binären Weltordnung in ihre Theorie aufnimmt. Eine solche Annahme konstruiert sich aber durch die fälschliche Annahme – die „logozentrische Illusion“ – da sie sich lediglich aus dem Geiste durch die „metaphysische Fixierung“ erklären lässt[36]. Resultierend aus dem bisherigen Gesagten nimmt Irigaray demnach eine Abwesenheit des Weiblichen an, die sich exemplarisch in der Sprache wiederspiegelt. Daraus erschließt sich die Sprache selbst als phallogozentrisches Konzept[37]. Sprachlich zeigt sich ein solches binäres Denken in der Sprache an dem Französischen homme. Die männliche Prägung der Sprache fordere somit zum Neu-denken auf. Die Konsequenzen der Kritik an der binären Ordnung setzt Irigaray in die Frage um: „Setzt dieses erneute Durchqueren des Diskurses, um einen Ort des „Weiblichen“ wiederzufinden, eine gewisse Arbeit an der Sprache voraus?“[38]

Irigarays Forderung mündet in der Konstruktion des parler femme, dem Frau-Sprechen, das Gegenstand des nächsten Abschnitts ist.

III. parler femme: Die Konstruktion einer weiblichen Gegensprache

  1. Die weibliche „Gegensprache“ als positive sexuelle Identität der Frauen

Der Ausdruck einer Konstruktion des Weiblichen als Gegengewicht zum Männlichen ist das parler femme oder „par les femmes“. Darin nimmt Irigaray nicht Bezug auf das wie eine Frau sprechen, sondern vielmehr als Frau sprechen[39]. Die weibliche Sprache ist das Resultat der Betrachtung zur l´écriture féminine, wie sie von Irigaray auf der Grundlage psychoanalytischer Theorien vorgenommen wurde[40]. Wie die écriture féminine diente das parler femme der sexuellen Differenz, indem es das Weibliche zu einem gleichwertigen Anderen macht. Angelehnt an Derridas Dekonstruktion definiert Irigaray die Konstruktion der écriture féminine als einen offenen Diskurs. Demnach handelt es sich um kein Modell, sondern eine Praxis, die beständig durch einen Diskurs zwischen den Geschlechtern ausgeübt werden muss. Das parler femme steht somit in der Tradition der écriture féminine und diente der Konstruktion einer positiven sexuellen Identität der Frau: „As long as woman have no civil identity of their own, it is to be expected, unfortunately, that they will conform to the only existing models, supposedly neutral, but in fact male.”[41] Parler femme ist zwar ein Beispiel für die Praxis der Erschaffung des Weiblichen, jedoch versucht Irigaray nicht das Weibliche zu definieren, denn die Definition kann nur aus der ontologischen Differenz bzw. „metaphysischen Fixierung“ und damit dem Phallogozentrismus beantwortet werden. Vielmehr stellt der offene Diskurs eine Möglichkeit der Konstruktion ohne Definition dar. Danach heißt es programmatisch: „Was ist eine Frau?“[42] Die Praxis der parler femme ist demnach aus der Dekonstruktion erklärbar. Irigaray destruiert um zu konstruieren. Die Destruktion ist die Auflösung bisheriger Geschlechterverteilung, um die Sprache zu konstruieren. Insofern ist das parler femme ein Ausdruck des „Mimesis-Konzeptes“ von Irigaray[43]. Die Sprache wird in Anlehnung an die weiblichen Geschlechtsorgane konstruiert: „Das Eine [sic!] dieser Form, des Individuum, des Geschlechts, des Eigennamens, des Eigen-Sinns … [sic!] tritt, indem es spreizt und teilt, an die Stelle dieser Berührung von mindestens zwei (Lippen) [sic!] (…)“[44]. Aus diesem Konzept heraus stellt die weibliche Sprache den Versuch dar eine neue symbolische Ordnung zu erschaffen, unter den Einbezug des Weiblichen[45].

  1. Abschließende Stellungnahme dem sex und gender Diskurs nach dem Modell von Irigaray

Aus den Ergebnissen der letzten Abschnitte soll abschließend eine Stellungnahme zu den sex und gender Diskurs angeführt werden. Die differenztheoretischen Überlegungen von Irigaray lassen sich damit zusammenfassen, dass die Konstruktion eines Ichs, die bisherige Ordnung umwirft, um sie zugleich neu zu konstruieren. Aus dieser Praxis erschließt sich die sexuelle Differenz und das parler femme als eine Möglichkeit, bisherige Kategorien neu zu denken. Ein solches Neu-Denken erfüllt jedoch nicht die Funktion eine Gleichstellung der Geschlechter herbeizuführen. Vielmehr ist ein solches Unterfangen als unmöglich zu betrachten. Denn wie aus den Aufzeichnungen gezeigt werden konnte, ist die Ordnung geprägt durch ein binäres System, dass aus der Sicht eines Mannes vorgenommen wird: „Die Frau ist innerhalb dieses sexuellen Imaginären nichts als eine mehr oder weniger gefällige Stütze für die Inszenierung der männlichen Phantasie.“[46]

Vielmehr stellt sich innerhalb der sex und gender Debatte die sexuelle Differenz mit der Praxis der Mimesis als das große Unterfangen dar, eine weibliche Identität zu schaffen. Die weibliche Identität ist somit Ausdruck einer alles durchdringenden Neu-Ordnung:

„Sprich trotzdem. Daß deine Sprache nicht aus einem einzigen Faden, einer einzigen Kette, einer einzigen Richtung besteht, ist unsere Chance. Sie kommt gleichzeitig von überall her. Du berührst mich überall gleichzeitig. Auf allen Sinnesebenen. Gleichzeitig Gesang, Rede, Text, warum? (…) Die Mängel, die Aufklaffungen, die vom Anderen Versorgung, Fülle und Vervollständigung erwarten würden, das sind nicht wir. Daß wir von den Lippen her Frauen sind, heißt nicht, daß essen, konsumieren, uns füllen das ist, woran uns liegt.“[47]

V. Schlussfolgerung

Die vorliegende Auseinandersetzung stellte den Versuch dar, die sexuelle Differenz nach Luce Irigaray zu analysieren und dadurch deren Bedeutung für den sex und gender Diskurs herauszustellen. Die Analyse verlangte eine Darstellung der heterogenen Bedingungen wie auch Einflüsse, die Irigarays Theorie vorausgehen. Ausgehend von Heideggers Begriff der ontologischen Differenz, wurde auf den von Derrida theorisierten Phallogozentrismus eingegangen, der Ausdruck einer binären Weltordnung ist. Eine solche Ordnung beruht jedoch auf einen „ontologischen Fehler“ – der ursprünglichen Verwechslung von Sein und Seienden. Daher muss die Ordnung neugedacht werden, was in der Praxis der Dekonstruktion resultierte. Dabei war insbesondere aufzuzeigen, dass es sich bei der Dekonstruktion vielmehr um eine Praxis als um ein Modell handelt. Erst diese Betrachtung schafft die Bedingung zum Verständnis von Irigaray Konzept der sexuellen Differenz, die ihren Ausdruck in dem parler femme findet. Angelehnt an Derridas Dekonstruktion zielt das parler femme auf eine Neu-Ordnung der Weltordnung, in dem es die Frau als gleichwertiges Ganzes neben dem Mann konzipiert. Die Bedeutung einer solchen Theorie kann in der Praxis nachvollzogen werden, indem es zu einer neuen Deutung von Textformationen kommt.

In der Tradition von Derrida führt die Mimesis nach Irigaray somit zu einem Dekonstruktivismus der traditionellen hierarchischen Ordnung. Von programmatischer Relevanz bei einer solchen Dekonstruktion ist das parler femme. Für den sex und gender Diskurs ist Irigarays Praxis insofern wegweisend, als dass das Weibliche als gleichwertiger Part neben dem Männlichen gedacht wird, frei männlicher Paradigmen.

Literaturverzeichnis

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[1]Vgl. Volkmann-Schluck, Karl-Heinz 1996: Die Philosophie Martin Heideggers:Eine Einführung in sein Denken. Würzburg: Königshausen & Neumann: 89.

[2] Vgl. Volkmann-Schluck, 1996: 88.

[3] Vgl. Volkmann-Schluck, 1996: 88.

[4] Volkmann-Schluck, 1996: 89.

[5] Tsikrikas, Zenon 2004: Jenseits von Phänomenologie und Dialektik: Das Heilige und Plötzliche bei Martin Heidegger, Göttingen: V&R unipress: 105.

[6] Vgl. Heidegger, Martin 2001: Sein und Zeit, Tübingen: Max Niemeyer Verlag: § 6.

[7] Vgl. Holland, Nancy J. / Huntington, Patricia J. 2001: Feminist Interpretations of Martin Heidegger (Re-Reading the Canon), USA: The Pennsylvania State University Press: 68.

[8] Vgl. Grosz, Elizabeth 1995: Ontology and Equivocation: Derrida's Politics of Sexual Difference, In: Diacritics, Vol. 25, No. 2, 114-124: 117.

[9] Geisenhanslüke, Achim 2008: Überlegungen zum Zusammenhang von Literalität und Liminalität, In: Schriftkultur und Schwellenkunde, (Hrsg.) Achim Geisenhanslüke / Georg Mein, Bielefeld: Transcript Verlag: 109.

[10] Derrida, Jacques 1967: De la grammatologie, Paris: Minuit: 23.

[11] Vgl. Geisenhanslüke 2008: 109.

[12] Vgl. Derrida 1967: 80 ff.

[13] Derrida 1967: 65. Howells, Christina 2013: Derrida: Deconstruction from Phenomenology to Ethics, Cambridge: John Wiley & Sons.

[14] Geisenhanslüke 2008: 110.

[15] Smykalla, Sandra 2010: Die Bildung Der Differenz: Weiterbildung Und Beratung Im Kontext Von Gender Mainstreaming, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften: 24.

[16] Vgl. Smykalla 2010: 24.

[17] Vgl. Smykalla 2010: 25.

[18] Vgl. Smykalla 2010: 25 ff.

[19] Vgl. Derrida, Jaques 2004: Die différance – ausgewählte Texte, Stuttgart: Philipp Reclam: 110-150.

[20] Vgl. Wartenpfuhl, Birgit 1999: Dekonstruktive Bestimmungen von Geschlecht - Identität - Differenz

jenseits metaphysischer Gewißheiten. Herausforderungen für feministische Politik und Wissenschaft,

In: Geschlecht in der feministischen Politikwissenschaft, Hrsg. Christine Bahnhardt / Angelika von Wahl: Opladen: 65-82.

[21] Vgl. Irigaray, Luce 1984: Éthique de la différence sexuelle, Paris: Les Éditions de Minuit.

[22] Smykalla 2010: 27.

[23] Vgl. Fuchs, Gerhild 2002: Zwischen einengender Lebensrealität und auffliegender Phantasie, In: Scrittura femminile, (Hrsg.) Irmgard Scharold, Tübingen: Gunter Narr Verlag: 77.

[24] Smykalla 2010: 27.

[25] Irigaray, Luce 1984: Éthique de la différence sexuelle, Paris: Les Éditions de Minuit: 19.

[26] Lacan, Jacques 1975: Dieu et la jouissance de LȺ femme, In: Le Séminaire XX, Encore, Paris: Seuil, 61-71: 68.

[27] Sigmund-Wild, Irene 2000: Anerkennung des Ver-rückten: Zu Luce Irigarays Entwurf einer "Ethik der sexuellen Differenz", Marburg: Tectum Verlag: 42.

[28] Sigmund-Wild 2000: 38.

[29] Irigaray, Luce 2005: An Ethics of Sexual Difference, London et al.: Continuum: 57.

[30] Sigmund-Wild 2000: 12.

[31] Vgl. Sigmund-Wild 2000: 30

[32] Sigmund-Wild 2000: 30.

[33] Vgl. Lacan, Jacques 1973: Das Spiegelstadium als Bildner der Ich-Funktion, In: Schriften I, Lacan, Jacques, Hrsg. v. Norbert Haas. Olten/Freiburg: Walter, 61-70.

[34] Vgl. Lacan 1973: 63 ff.

[35] Vgl. Lacan 1973: 64.

[36] Sigmund-Wild 2000: 30.

[37] Vgl. Link-Heer, Ursula: Das Zauberwort «Differenz» - Dekonstruktion und Feminismus, In: Das Geschlecht der Moderne: Genealogie und Archäologie der Geschlechterdifferenz, Hrsg. Bublitz, Hannelore, Frankfurt/Main: Campus Verlag: 66.

[38] Irigaray, Luce 1979: Das Geschlecht, das nicht eins ist, Berlin: Merve Verlag: 80.

[39] Sigmund-Wild 2000: 60.

[40] Lacey, Nicola 1998: Unspeakable Subjects: Feminist Essays in Legal and Social Theory, Oxford: Hart Publishing: 212

[41] Irigaray, Luce 1994: Thinking the Difference: : For a Peaceful Revolution, London: Routledge Chapman & Hall: 17.

[42] Irigaray 1979: 128.

[43] Sigmund-Wild 2000: 45.

[44] Irigaray 1979: 25.

[45] Vgl. Sigmund-Wild 2000: 30.

[46] Irigaray 1979: 24.

[47] Irigaray 1979: 215 ff.

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